Prävention von Verletzungen, Überlastungsschäden und Krankheit – ein zentrales Thema auch in der täglichen Arbeit in der Sportphysiotherapie

Dazu ein aus unserer Sicht doch interessanter Konsens einer hochkarätigen IOC-Arbeitsgruppe.

Wir haben uns erlaubt die Zusammenfassung des „Consensus-Statement“ („How much ist too much? IOC consensus statement on load in sport and injury risk“; Schwellnus, M. et al.; BJSM 2016; 50: 1043-1052) für euch zu übersetzen (und redaktionell zu bearbeiten) in der Hoffnung damit eure tägliche Arbeit in der Betreuung von Sportlern ein wenig zu unterstützen. Die Ratschläge erscheinen auf den ersten Blick manchmal etwas hart und „rigide“ formuliert aber bei längerem Überlegen doch zumeist auch sinnvoll. Gerade wenn es um die Vorbereitungen von sogenannten „Groß-Ereignissen“ geht. Gerade die Punkte 4 und 5 mit dem Schwerpunkt „Load-Management“ erscheinen uns als wichtiges „Injury and Overuse-Prevention“-Werkzeug.

Allgemeine Richtlinien zur Prävention von Krankheit / Verletzung für Athletinnen und Athleten:

1. Verhalten, Lebensstil und medizinische Strategien

a. Minimiere den Kontakt zu Personen die an Infektionen/Infekten leiden, Kleinkindern, Tieren und kontaminierten Objekten

b. Vermeide überfüllte Plätze, Händeschütteln und minimiere den Kontakt zu Personen außerhalb des Teams

c. Bei Infekten – nach dem Nießen, Schnäuzen immer die Hände reinigen

d. Regelmäßig Hände waschen (mit Wasser und Seife) – gerade z.B. vor Mahlzeiten oder eben nach Kontakten wie in a. und b. beschrieben

e. Verwende „Einmal-Taschentücher“ bei Infektionen der oberen Atemwege und minimiere den Kontakt zwischen Hand und Nase/Mund – auch bei gastrointestinalen Infektionen

f. Verwende insektenabweisende, antimikrobielle Cremes bzw. Handwasch-Gels auf alkoholischer Basis

g. Trinkflaschen, Handtücher etc. nicht mit anderen Personen teilen

h. Flüssigkeiten nur aus vorher verschlossenen Flaschen; vermeide rohes Gemüse; halbgegartes Fleisch; wasche und schäle Obst

i. Trage gut bedeckende Kleidung – vor allem in Tropengebieten (bei Sonnenaufgang und Dämmerung)

j. Trage offenes Schuhwerk bei der Benutzung öffentlicher Duschen und Schwimmbäder etc.

k. Passe Strategien an, die zu optimaler Schlafqualität führen (Stichwort Schlafhygiene)

l. Vermeide größere Mengen von Alkohol (weil negativer Einfluss auf das Immunsystem / typischerweise nach Krafttraining und Wettkämpfen)

m. Wenn Sex dann nach den „Safer-Sex“ Regeln

2. Medizinisches Personal in der Athletenbetreuung sollte folgendes beachten:

a. Entwicklung und Einführung von Präventions-Richtlinien für Athletinnen und Athleten sowie dem gesamten Betreuungsteam und „Monitoring“ der Guidelines

b. Screening von Atemwegs-Erkrankungen (Asthma, Allergien etc.)

c. Herausfiltern der „Hochrisiko-Athleten“ mit nachfolgender optimaler Betreuung derselben (Training, Wettkampf)

d. Einzelzimmerbelegung für Athleten mit hohem Risiko und hoher Belastungssituation bzw. Leistungsträger

e. Maßnahmen ergreifen um die Atemwege unter Belastung vor direkter Kälte (>0°C) oder trockener Luft zu schützen – z.B. Verwendung von Gesichtsmasken

f. Strategien entwickeln um Krankheitsgefahren auf internationalen Reisen zu reduzieren

g. Athleten über nötige Impfungen (für Zuhause und für die jeweiligen Auslandsaufenthalte) informieren und auch darüber aufklären, dass Schutzwirkungen oft verzögert (etwa 7 Wochen) eintreten. Nebenwirkungen sind häufig geringer bei intramuskulären Verabreichungen. Generell sollten Impfungen außerhalb von „Stresszeiten“ (intensives Training, Wettkampf) erfolgen

h. Auch das Betreuungsteam über nötige Impfmaßnahmen informieren

i. Darauf hinweisen, dass die Verwendung von Zink-Lutschtabletten (>75mg Zink/Tag mit hohem ionischen Zinkgehalt) bei Anzeichen von Atemwegssymptomen zu einer Reduktion der Tage mit Krankheits-Symptomen führen kann

3. Optimierung der Ernährung durch das Betreuer-Team im Sinne einer verbesserten Immunsituation der Sportler

a. Einführen von individualisierten Ernährungsprogrammen um Defizite vor allem bei den Mikronährstoffen zu vermeiden

b. Athleten immer wieder darauf hinweisen je nach Belastung genug Kohlehydrate und Proteine aufzunehmen

c. Vitamin D-Spiegel messen und gegebenenfalls supplementieren

d. Eventuell auf die Einnahme von probiotischen Nahrungsmitteln hinweisen (Lactobazillus)

e. Regelmäßige Zufuhr von Obst und Gemüse empfehlen sowie Polyphenol-Supplementation (z.B. Quercetin) oder generell Nahrungsmittel zur Reduktion der Infektionsanfälligkeit (Alkoholfreies Bier, Grüntee, etc.)

4. „Belastungs-Management“ im Hinblick auf Training und Wettkampf

Es gibt klare Evidenz darüber (auch wenn auf wenige Sportarten limitiert), dass eine Fehlsteuerung der Belastung mit entsprechender „Maladaption“ einhergeht, was wiederum das Krankheits- und Verletzungsrisiko deutlich steigert. Nachfolgend einige generelle (nicht sportartspezifische) Empfehlungen:

a. Sehr hohe Belastungen können positiven oder negativen Einfluss auf Krankheit/Verletzung nehmen – dabei ist wichtig das Athletenprofil (Wettkampflevel, Langzeit-Belastungsverläufe, intrinsische Risikofaktoren) miteinzubeziehen

b. Athleten sollten über einen detaillierten bzw. individualisierten Trainings- und Wettkampfplan verfügen – das beinhaltet auch Regenerationsmaßnahmen aus den Bereichen Ernährung, Flüssigkeitshaushalt, Schlaf, psychische Aspekte

c. Konsequentes Belastungsmonitoring (internal/external)

d. Anpassung der (Trainings)Belastungssituation nach folgenden Prinzipien:
I. Veränderungen in der Trainingsbelastung sollten individualisiert erfolgen – weil auch die Reizreaktionen und Anpassungsprozesse unterschiedlich verlaufen
II. Die Präventionsforschung empfiehlt Veränderungen im (wöchentlichen) Trainings-Load von >10% (zur Vorbelastung)

e. Auch die Wettkampfbelastung muss beobachtet, bewertet und gesteuert werden

f. Anpassungen der Trainings- und Wettkampfbelastung sollten auch über Veränderungen der psychologischen Stressoren gesteuert werden

g. Trainern und Betreuern wird empfohlen nach besonderen Belastungssituationen (hohe Trainingsbelastung, Wettkampf, Reisestress etc.) entsprechende Erholungspausen und Regenerationsmaßnahmen klar einzuplanen

h. Verantwortliche Trainer/Betreuer haben die Aufgabe Trainings- und Wettkampfplanungen so zu gestalten, dass die Gesundheit von Athleten nicht gefährdet ist – dies erfordert entsprechende Abstimmung zwischen Sportorganisationen, Verbänden, Veranstaltern etc.

5. Psychologisches Belastungsmanagement

Psychologische Stressoren wie etwa negative „life-events“ oder täglicher Ärger etc. können das allgemeine Erkrankungsrisiko deutlich erhöhen. Darum werden auch Maßnahmen wie etwa Information und Weiterbildung von Athleten sowie Betreuern im Hinblick auf proaktives „Stress-Management“ empfohlen

a. Entwicklung von sogenannten „Resilienz-Strategien“ (Widerstandsfähigkeit) die Athleten dabei helfen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Stressoren und ihrem psychologischen Status zu erkennen um in weiterer Folge somit negative Einflüsse und daraus resultierende Gesundheitsrisiken zu minimieren

b. Athleten sollten Stress-Management-Techniken erlernen, Selbstvertrauen (aber auch Selbstbewusstheit) aufbauen und sinnvolle Zielsetzungen vornehmen – alles mit entsprechender professioneller sportpsychologischer Unterstützung

c. Reduktion von Trainings- und Wettkampfbelastungen bei Athleten, die vorgenannte Stressoren nicht entsprechend verarbeiten können und „Belastungsreaktionen“ zeigen

d. Implementierung von regelmäßigen „Stress-Assessments“ im Hinblick auf mögliche wichtige präventive Anpassungen in der Trainings- und Wettkampfbelastung

6. Messungen bzw. Monitoring von ersten Anzeichen/Symptomen von Krankheit und Überbeanspruchung

Die Anwendung sinnvoller Messmethoden kann helfen sich anbahnende „Dysfunktionen“ früh zu erkennen, zu diagnostizieren und entsprechend früh zu behandeln. Gerade, weil Athleten zur „Bagatellisierung“ von Beschwerden und Symptomen neigen ist das konsequente Monitoring so wichtig:

a. Fortlaufende Beantwortung adäquater „Krankheits-/Verletzungs-Fragebögen“ (online/div. Apps etc.) sollten in allen Sportarten verpflichtend eingeführt werden und dabei mit entsprechend aussagekräftigen Messmethoden zur Früherkennung möglicher Krankheitsverläufe und Überlastungsreaktionen gearbeitet werden.