Auswirkung von Stress auf die Wundheilungsmechanismen

Vor zwei Wochen haben wir uns bereits schon einmal mit dem Thema Stress beschäftigt und verschiedenste Ergebnisse vorgestellt. Im heutigen Artikel beschäftigen wir uns mit der Frage des Wirkmechanismus: Wie beeinflusst psychologischer Stress die Wundheilung?

Mechanismen der Wundheilung:
In diesem Überblick soll aufgezeigt werden, wie und wo psychologischer Stress in die Wundheilung beeinflusst. Zu Beginn der Entzündungsphase kommt es zu Blutgefäßverengung (Vasokonstriktion) und zur Blutgerinnung, gefolgt von der Aktivierung von Thrombozyten. Diese wiederum setzen die platelet-derived growth factors (PDGF’s) frei. Diese gehören zu der Familie der Wachstumsfaktoren. Weiterhin spielen Zytokine und Chemokine, wie IL-1a, IL-1b, TGF-b, VEGF, TNF-a und IL-8, eine wichtige Rolle in den frühen Phasen der Wundheilung. Denn diese Chemoattraktantien sorgen mit der Anlagerung von Phagozyten und weiteren Zellen für die Einleitung der Proliferationsphase. Sie übernehmen eine wichtige Rolle in der Rekrutierung und Vervielfältigung von Zellen, welche für die Regeneration von Gewebe und das Nachwachsen von Kapillaren notwendig sind. Da die Wundheilungsphasen aufeinander aufbauen, ist ein guter Ablauf in den frühen Phasen sehr entscheidend für den kompletten und nachhaltigen Heilungsverlauf.

Die Entzündungsphase kann für die Wundheilung als eine Art Schlüsselstelle gesehen werden. Zytokine sind entscheidend an dem proinflammatorischen Prozess beteiligt. Sie schützen vor Infektionen, aktivieren die wichtigen Phagozyten und beeinflussen indirekt die Wirksamkeit der Fibroblasten und Epithelzellen (welche für den Aufbau des zerstörten Gewebes zuständig sind). Wird frühzeitig nach der Verletzung IL-1 produziert, so kann dieses die Produktion, Freisetzung und Aktivierung des Enzyms Metalloproteinase positiv beeinflussen. Das Enzym Metalloproteinase erfüllt wiederum eine wichtige Rolle im Ab- und Aufbauprozess des Wundgebiets. IL-1 übernimmt zudem Aufgaben bei der Fibroblastenanlagerung (Wirkung als pos. Chemotaxis) und der Produktion von kollagenem Gewebe. Es hat auch eine stimulierende Wirkung auf die Produktion anderer Zytokine, wie IL-2, IL-6 und IL-8. Diese sind ebenfalls wichtig für die Wundheilung. Bei einem Tierversuch mit Mäusen, wo jeweils die IL-6 Produktion „ausgeschaltet“ wurde, benötigte die Wundheilung dreimal länger als bei den anderen Mäusen. Dies zeigt wie wichtig die Zytokine für den Heilungsprozess sind. Treten hier Probleme auf, kann man sich vorstellen welche Auswirkungen das auf den weiteren Wundheilungsverlauf hat.

Physiologische Wege im stressinduzierten Wundheilungsverlauf:
Eine vermehrte Anzahl von Glukokortikoiden und Katecholaminen kann einen direkten Einfluss auf verschiedene Komponenten der Wundheilung nehmen. Die folgende Abbildung zeigt verschiedene Einflüsse von psychologischem Stress auf die Wundheilung. 

2018.03.28 Psychologischer Stress Mechanismen

Glukokortikoide:
Erhöhter Stress führt zur vermehrten Ausschüttung von Glukokortikoiden, welche nachweislich einen negativen Einfluss auf die Wundheilung haben. So konnte eine Studie von Ebrecht et al. (2004) zeigen, dass eine gesteigerte Kortisol-Absonderung nach einer Stanzbiopsie mit einem erhöhten Stresslevel und einer negativ beeinträchtigten Wundheilung einhergeht. Blockt man die Glukokortikoid-Funktion durch das Einsetzen eines Stoffes, welches den Rezeptor für Glukokortikoide besetzt, so fand keine stressinduzierte Beeinträchtigung auf die Wundheilung statt. Beugte man der Produktion von Glukokortikoiden durch Adrenalektomie (Entfernung der Nebenniere) vor, so wurde die Wundheilung ebenfalls nicht negativ beeinträchtigt (Detillion et al. 2004). Eine von außen zugefügte Menge an Glukokortikoiden verlangsamte den Wundheilungsprozess.

Katecholamine:
Auch eine erhöhte Produktion von Katecholaminen scheint eine Auswirkung auf die Heilung von Wunden zu haben. Katecholamine entfalten ihre Wirkung über die Besetzung von Adrenozeptoren oder Dopamin-Rezeptoren. Besetzt man bei Mäusen den b-Adrenozeptor mit einem anderen Stoff, so wurde die negative Wirkung des Stresses auf den Heilungsverlauf abgeschwächt (Eijkelkamp et al. 2007). Verabreichte man Mäusen mit Brandverletzungen einen b-Adrenozeptoren Antagonisten, so zeigten sie gegenüber anderen Mäusen mit Brandverletzungen eine verbesserte Reephithelarisierung (Sivamani et al. 2009). 

Oxytocin und Vasopressin:
Die beiden Peptidhormone Oxytocin und Vasopressin werden in der Hypophyse gebildet und nehmen Einfluss auf physiologischen Stress. In einer Studie mit Paaren konnte aufgezeigt werden, dass Paare mit vermehrten positiven Interaktionen höhere Plasmawerte von Oxytocin erreichten. Diese hohen Werte an Oxytocin werden mit einer schnelleren Wundheilung von Blister Wunden in Verbindung gebracht. Zudem gelten höhere Vasopressin-Werte bei Frauen ebenfalls als ein Faktor für schnellere Wundheilung (Gouin et al. 2010).

Eine Untersuchung bei Tieren konnte diese Beobachtungen unterstützen. Wurde den Tieren von außen Oxytocin verabreicht, so konnte dies die Produktion von Glukokortikoiden eindämmen (Detillion et al. 2004 & Vitalo et al. 2009). Wurde ein Rezeptorantagonist der Oxytocin Rezeptoren verabreicht, so ging die positive Wirkung einer Gemeinschaftshaltung bei den Tieren verloren (Detillion et al. 2004). Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Oxytocin einen direkten Einfluss auf den Heilungsprozess hat.

Lokale Produktion von Zytokinen:
Ein verringertes Auftreten von proinflammatorischen Zytokinen ist ein weiterer Grund, der zu einer Beeinträchtigung der Wundheilung führen kann. Frauen, die laut eigenen Angaben mehr Stress verspüren, zeigten ein signifikant niedrigeres Level an IL-1a und IL-8 (Glaser et al. 1999). Wenn Uneinigkeiten in der Ehe bestehen, wirkte sich dies ebenfalls auf die Produktion von Zytokinen aus. Die Zytokinproduktion von IL-1b, IL-6 und TNF-a war bei Paaren mit Uneinigkeiten deutlich geringer als bei Paaren, die ihren Streit mit sozialer Unterstützung angingen. Diese Effekte zeigten sich allerdings nur lokal signifikant und nicht systemisch (Kiecolt-Glaser et al. 2005).

In einer weiteren Studie zeigten Patienten, die vor der Operation (Leistenbruch) mehr empfundenen Stress angaben, niedrigere Konzentrationen von IL-1b in der Wundflüssigkeit, als diejenigen, die weniger Stress empfanden (Broadbent et al. 2003).

Die stressinduzierte Produktion von Glukokortikoiden scheint die Produktion von Zytokinen einzuschränken. Führte man Mäusen Glukokortikoide zu, so verminderte dies das Auftreten von IL-1a, IL-1b und TNF-a an der Wundstelle (Hubner et al. 1996). Weitere Studien zeigten ähnliche Ergebnisse. Ein stressinduzierter Anstieg von Glukokortikoiden zeigte Auswirkungen auf die Produktion von IL-1b, TNF-a und PDGF‘s (Glaser et al. 1999 & Head et al. 2006). Diese Ergebnisse zeigen, dass es scheinbar einen neuroendokrinen Weg gibt, über den Glukokortikoide Einfluss auf den wichtigen Entzündungsprozess nehmen. 

Matrix Metalloprotease:
Die Enzyme Mentalloprotease (MMP) können Peptidbindungen von kollagenem Material lösen. Die Degradation der Basalmembran begünstigt die Einwanderung von wichtigen Komponenten für die Wundheilung an der Wundstelle und ist somit für die frühen Wundheilungsphasen von großer Bedeutung. Patienten (Leistenoperation), die sich Sorgen über die Operation machten, zeigten niedrigere MMP-9 Konzentrationen in der Wundflüssigkeit (Broadbent et al. 2003). In einer weiteren Studie von Yang et al. aus dem Jahr 2002 konnte herausgefunden werden, dass eine negative Korrelation zwischen Kortisollevel im Plasma und MMP-2 besteht (das bedeutet, je mehr Kortisol, desto geringer waren MMP-2 vertreten). Im Tierversuch wiesen gestresste Mäuse sieben Tage nach dem Zufügen der Verletzung eine niedrigere Konzentration von MMP-2 und MMP-9 auf (Romana-Souza et al. 2010). Die Ergebnisse zeigen, dass Stress eine Auswirkung auf die Produktion von MMP’s hat.

Wund-Zellularität:
Psychischer Stress kann die Zelleinwanderung ins Wundgebiet beeinträchtigen. So zeigte sich bei Mäusen, die erhöhtem Stress ausgesetzt wurden, eine verringerte Anzahl von Leukozyten im Wundgebiet (Padgett et al. 1998).

Erhöhtes Infektionsrisiko:
Stress kann außerdem die Anfälligkeit für Infektionen im Wundgebiet erhöhen. Mäuse, die einem kontrollierten Stress ausgesetzt waren, zeigten eine deutliche Erhöhung von Bakterien im Wundgebiet. Diese Bakterien werden für Infektionen verantwortlich gemacht. In der Experimentalgruppe zeigten sieben Tage nach der Verletzung 85,4% der Mäuse diese Bakterien, wohingegen nur 27,4% der Kontrollgruppe betroffen waren (Rojas et al. 2002).

Diese erhöhte Anfälligkeit scheint durch eine reduzierte Produktion von antimikrobiellen Peptiden an der Hautoberfläche begründet. Mäuse, die durch Schlafstörung und Gedränge vermehrt Stress ausgesetzt waren zeigten niedrigere Konzentrationen an Cathelicidine (antimikrobielle Peptide) und zeigten häufiger Infektionen.

Scheinbar ist dieser Effekt auch abhängig von den Glukokortikoiden. Die Besetzung der Glukokortikoid-Rezeptoren sorgte dafür, dass der Stress keine Auswirkung auf die antimikrobiellen Peptide zeigte. Führte man „nicht gestressten“ Mäusen von außen Glukokortikoide zu, so zeigte dies denselben Effekt wie bei auftretendem Stress (Rückgang der antimikrobiellen Peptide an der Hautoberfläche) (Aberg et al. 2007).

Wundhypoxie:
Für alle Phasen der Wundheilung ist eine Versorgung mit Sauerstoff wichtig. Werden Blutgefäße verletzt, so beeinflusst dies die Sauerstoffversorgung des Wundgebiets. Gleichzeitig kommt es durch den von den Neutrophilen ausgelösten „oxidativen Burst“ zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf. Stress kann diese Sauerstoffschuld weiter untermauern. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten gestresste Mäuse eine höhere Stickstoffkonzentration im Wundgebiet. Dies ist ein Indikator für eine Wundhypoxie. Eine Intervention mittels hyperbaren Oxygenierung zeigte einen Rückgang der Stickstoffkonzentration und eine Dämpfung der stressinduzierten Wundheilungsdefiziten (Gajendrareddy et al. 2005).

Das Verhalten und dessen Auswirkung auf Stress und Wundheilung:
Individuen, die vermehrt Stress verspüren, steigern häufig ihren Alkohol- und Tabakkonsum. Gleichzeitig verringern sie ihre sportliche Aktivität, erleben Schlafstörungen und ernähren sich schlechter (Vitaliano et al. 2002).

Starker Alkoholkonsum beeinträchtigt die Zellmigration und den Abbau von zerstörtem Gewebe im Wundgebiet. Dies sind allerdings wichtige Prozesse der Wundheilung (Benveniste & Thut 1981). Rauchen zeigte ebenfalls negative Auswirkungen auf den Heilungsprozess von Wunden (Silverstein 1992). Schlafstörungen führten zu einer schlechteren Regeneration der Hautbarriere und verminderte die Produktion von Wachstumshormonen (Veldhuis & Iranmanesch 1996). Ein Mangel an Bewegung kann den Wundheilungsverlauf hinauszögern (Keylock et al. 2008). Zudem kann ein Aufnahmedefizit von Glukose, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Proteinen und verschiedenen Vitaminen den Heilungsprozess behindern (Russell 2001 & Posthauer 2006).

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