Concussion – ein Risiko für psychische Erkrankungen?

Unter dem Titel: “A history of concussions is associated with symptoms of common mental disorders in former male professional athletes across a range of sports (Gehirnerschütterungen in der Vergangenheit werden mit Symptomen von psychischen Störungen, bei professionellen Sportlern aus verschiedenen Sportarten, in Verbindung gebracht)” veröffentlichten die Autoren Gouttebarge et al. 2017 ihren Artikel in der Zeitschrift THE PHYSICIAN AND SPORTSMEDICINE.

Einleitung:
Gehirnerschütterungen,auch„Concussion“ genannt, entstehen im Sport häufig durch direkte aber auch durch indirekte Krafteinwirkungen auf den Kopf des Athleten. Hierzu zählen beispielsweise ein Schlag gegen den Kopf oder ein Impact mit einem Sportgerät oder ähnlichem. Diese Schläge gegen den Kopf können neurologische Schädigungen im Gehirn des Sportlers verursachen. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit für dieses Problem in der Öffentlichkeit und der Berichterstattung stark angestiegen. Das liegt mit unter daran, dass verheerende Auswirkungen (z.B. beim second impact syndrome) zu neurodegenerativen Schädigungen führen. Hierzu zählt auch die Chronisch Traumatische Enzephalopathy (CTE) (Hay et al. 2016).

Die Zahlen der Gehirnerschütterungen nehmen dramatisch zu. Das zeigt eine Beobachtung aus England, welche die professionelle Rugbyliga analysierte. Hier kam es 2005 noch zu 3 Concussions / 1000 Spielerstunden. 2015 waren es 13,4 Concussions / 1000 Spielerstunden Ruhe et al. 2014; Blake et al. 2014 & das Projekt des England Professional Rugby 2014-2015). Häufig wird eine Gehirnerschütterung durch Ruhe schnell abklingen, dennoch verbleiben in 10-15% der Fälle bleibende Schäden (McCrory et al. 2017).

Studien berichten im Zusammenhang mit CTE auftretenden Verhaltens- und Stimmungsstörungen. Dazu zählen sie auch Ausprägungen von Depressionen und Suizidalität (Stern et al. 2013). Weitere Analysen zeigten im American Football, dass Sportler, die im Laufe ihrer Karriere ein bis zwei Concussions erlitten hatten, eine 1,5 fache Wahrscheinlichkeit aufwiesen, an einer Depression zu erkranken. Bei Sportlern mit drei oder mehr Concussions stieg die Wahrscheinlichkeit sogar auf das dreifache (Guskiewucz et al. 2007). Im Rugby wurden ähnliche Ergebnisse gefunden. Mit der Anzahl der Concussions stieg auch die Häufigkeit von depressiven Symptomen an (Decq et al. 2016). Die 2016 herausgebrachten Studien von Gouttebarge et al. fanden unter früheren professionellen Teamsportlern eine starke Verbreitung von typischen psychischen Störungen mit Symptomen wie Angst, erhöhter Stress, Depressivität, Schlafstörungen, Substanzmissbrauch oder Substanzabhängigkeiten. Ob hierfür die Anzahl von Gehirnerschütterung eine Rolle spielt, kann noch nicht ausreichend beantwortet werden. Deshalb war das Ziel der vorliegenden Studie, diese Beziehung genauer zu untersuchen. Dazu wurde die Anzahl von Concussions (in den Sportarten Fußball, Eishockey und Rugby) in Verbindung gebracht mit den verschiedenen Symptomen von psychischen Störungen (CMD= common mental disorders) in Verbindung gebracht.

Methode:
Bei den Teilnehmern der Studie handelt es sich um ehemalige professionelle männliche Sportler aus dem Fußball, Eishockey oder Rugby. Die Sportler erhielten vier verschiedene Fragebögen und eine Abfrage der Anzahl ihrer Gehirnerschütterungen während ihrer Sportlerkarriere.

  1. Distress Screener (Stress)
  2. General Health Questionnaire (Angst und Depression)
  3. Patient Reported Outcomes Measurement Information System in Kurzform (Schlafstörungen)
  4. Alcohol Use Disorders Identification Test Consumption (ungünstiger Alkoholkonsum)
  5. Anzahl der Gehirnerschütterungen

Ergebnisse:
Von den 1957 angeschriebenen Athleten antworteten 576 Sportler. Das mittlere Alter der Sportler lag bei 37 Jahren. Durchschnittlich waren die Sportler seit ca. 10 Jahren aus dem professionellen Geschäft ausgestiegen, nachdem sie mind. 7 Jahre im Profisport aktiv waren. 88% der ehemaligen Sportler hatte nun ein festes Arbeitsverhältnis mit 40 Stunden Arbeit die Woche.

23% der Sportler (n=110) berichteten davon, keine Gehirnerschütterung erlitten zu haben.
(23% der Eishockeyspieler, 23% Rugbyspieler und 25% der Fußballspieler)

34% (n=158) erlitten 2-3 Concussions in ihrer Sportlaufbahn.
(29% der Eishockeyspieler, 32% der Rugbyspieler und 40% der Fußballspieler)

18% (n=84) erlitten 4-5 Concussions.
(12% der Eishockeyspieler, 17% der Rugbyspieler und 23% der Fußballspieler)

11% (n=50) erlitten 6 oder mehr Concussions
(8% der Eishockeyspieler, 15% der Rugbyspieler und 3% der Fußballspieler)

Bezüglich der Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Concussions und den einzelnen Symptomen (Schlafstörung, Stress, Angst und Depression) ergaben sich signifikante Unterschiede. Beim Alkoholkonsum konnte kein entscheidender Unterschied gefunden werden.

Sportler, die vier oder fünf Concussions erlitten, zeigten gegenüber der Gruppe ohne Concussion ein 1,5-fach erhöhtes Auftreten von den genannten Symptomen eines CMD.

Bei Sportlern mit sechs oder mehr Concussions war das Auftreten der Symptome um das 2-5-fache erhöht.

Diskussion:
Die Ergebnisse der Studie unterstützen die derzeitige Studienlage. Natürlich können auch unabhängig von den Concussions die Symptome auftreten, weshalb die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Sie können allerdings andere Ergebnisse untermauern und somit bestärken sich diese gegenseitig. Insgesamt werden Gehirnerschütterungen im Sport immer noch zu wenig „ernst“ genommen. Die Folgen sind laut Studien fatal, deshalb muss ein Umdenken im Sport stattfinden. In einigen Sportarten ist dies auch bereits geschehen. Im Rugbytraining wird die Technik hin auf ein sauberes ungefährliches Tackling trainiert. Es werden vermehrt Guidelines zum Erkennen und Behandeln von Concussions ausgearbeitet und eingesetzt. 2006 hat die FIFA eine Regeländerung eingeführt, welche einen Schlag ins Gesicht mit einem Platzverweis sanktioniert. Eine weitere Regelung wurde kürzlich eingeführt. Sie besagt, dass ein Schiedsrichter, wenn er eine Gehirnerschütterung vermutet, das Spiel für 3 Minuten unterbrechen darf. Im Eishockey wurden die harten Plastikeinlagen im Ellbogen abgeschafft und das Tackling gegen die Wand darf den Kopf nicht mit einbeziehen. Des Weiteren werden Kampagnen ins Leben gerufen. Beispielsweise die von Schottland mit dem Titel „If in doubt, sit them out“. Außerdem muss weiter Aufklärung geleistet werden, sodass sowohl Sportler, als auch Angehörige, Trainer, Betreuer usw. über die Thematik und die Risiken Bescheid wissen.

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