Das Training-Injury Prevention Paradoxon (Teil 3)

Nach den Zusammenfassungen der letzten beiden Wochen, beschäftigen wir uns auch heute noch einmal mit dem Artikel von Gabbett. In diesem dritten Teil werden wir die Möglichkeiten des Belastungsmanagements und die daraus resultierenden praktischen Maßnahmen thematisieren.

Man beachte sowohl die akute als auch die chronische Trainingsbelastung!

In der Aufzeichnung von Trainingsbelastungen können wir zwischen akuter und chronischer Belastung unterscheiden. Die akute Trainingsbelastung könnte nach jeder Trainingseinheit gemessen werden. In Teamsportarten hat sich allerdings die Zusammenfassung einer Trainingswoche als sinnvoller und komfortabel herausgestellt. Gemessen wird die akute Belastung (wie in den vorhergehenden Artikeln schon erwähnt) durch den sogenannten sRPE (session ratings of perceived exertion). Hierzu werden die Minuten der Trainingseinheit mit der subjektiv eingeschätzten Belastung durch den Athleten multipliziert. Die folgenden Abbildungen sollen als Beispiel die Bestimmung der akuten Trainingsbelastung deutlich machen:

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Die chronische Trainingsbelastung repräsentiert die zusammengefasste Trainingsbelastung der letzten 3, 4, 5 oder 6 Wochen.

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Die akute Belastung beschreibt den aktuellen Belastungszustand des Athleten. Dieser wird vermehrt auch mit dem Zustand der „Müdigkeit/Erschöpfung“ in Verbindung gebracht. Die chronische Belastung steht für die, über die letzten Wochen aufgebaute, Belastbarkeit des Sportlers. Dieser Zustand wir mit dem Zustand „Fitness“ assoziiert.

Setzt man die akute und die chronische Trainingsbelastung in ein Verhältnis zueinander, so erhält man die sogenannte „acute:chronic workload ratio“ des Athleten. Diese setzt die akute Belastung ins Verhältnis zur erwarteten Belastbarkeit des Sportlers. Anhand der hierdurch gewonnenen Information kann ein Verletzungsrisiko eingeschätzt werden. Ist die akute Belastung gering, so wird der Athlet nur wenig Ermüdungserscheinungen durch das Training zeigen. Wenn nun die chronische Belastung der letzten Wochen adäquat hoch war, so hat sich der Athlet bereits eine gewisse Fitnessgrundlage angeeignet. In diesem Falle ist der Athlet in einer günstigen Lage um seine sportliche Aktivität (z.B. Wettkampf) durchzuführen. Hier wird das Verhältnis zwischen akuter und chronischer Belastung (acute:chronic workload ratio) innerhalb des „Sweet spot“ liegen. Der „Sweet spot“ beschreibt einen Bereich in dem ein besonders geringes Verletzungsrisiko vorliegt. War die akute Belastung sehr hoch, so ist der Sportler aktuell belasteter. Wenn er nur eine geringe chronische Belastung innerhalb der letzten Wochen hatte, so wurde der Sportler nur wenig auf diese hohe akute Belastung vorbereitet (Fitnessstand niedrig). In dieser Situation sieht sich der Athlet einem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt. Das Verhältnis zwischen akuter und chronischer Belastung liegt in diesem Fall in der „Danger zone“.

Die Benutzung dieses „acute:chronic workload ratio“ kann positive und auch negative Trainingskonsequenzen (zu hohe oder zu niedrige Belastung) praktikabel aufzeigen. Es gibt eine Einschätzung über die Trainingsbelastung und Aufschluss darüber, ob eine adäquate Fitnessgrundlage vorliegt. Diese ist nötig um das Verletzungsrisiko zu minimieren.

Die erste Studie, die dieses Verhältnis von akuter und chronischer Belastung in Zusammenhang mit Verletzungen brachte, wurde mit Elite Cricket Spielern durchgeführt. Die Trainingsbelastung wurde einmal subjektiv durch die sRPE und einmal objektiv durch die Anzahl der geworfenen Bälle gemessen. Wenn die akute Belastung geringer war als die chronische Belastung der letzten Wochen (Verhältnis <1.0), so lag die Wahrscheinlichkeit in den nächsten 7 Tagen eine Verletzung zu erleiden um die 4%. Lag die akute Belastung deutlich höher als die chronische Belastung (z.B. Verhältnis bei 1.5), so stieg das Verletzungsrisiko auf das 2-4-fache (8%-16%) in den nächsten 7 Tagen an.

Bei Elite Rugby Spielern und Fussballspielern waren die Ergebnisse nahezu identisch. Belastungsspitzen in der akuten Belastung in Relation zur chronischen Belastung (Verhältnis >1.5) konnten mit einem stark erhöhten Verletzungsrisiko in Verbindung gebracht werden.

Ergebnisse aus dem Cricket, Australian Football und der Rugby Liga konnten zusammengetragen werden. Hieraus resultierte eine Art Empfehlung in der Belastungssteuerung:

Bezüglich des Verletzungsrisikos konnten zwei Bereiche des Belastungsverhältnisses ausgemacht werden. Der sogenannte „Sweet spot“ liegt zwischen 0.8 und 1.3, die „Danger zone“ bei Werten >1.5. Um das Verletzungsrisiko möglichst gering zu halten hat sich eine Trainingsbelastung innerhalb des „Sweet spot“ bewährt.

acute chronic workload ratio
Es ist zu beachten, dass diese Ergebnisse nicht unbedingt für alle anderen Sportler und Sportarten ebenfalls gelten müssen. Es könnte durchaus möglich sein, dass andere Sportarten oder individuelle Unterschiede auch verschiedene Belastungstoleranzen aufweisen. Dennoch kann das „acute:chronic workload ratio“ aufgrund seiner leichten Umsetzung, seiner Praktikabilität und Ökonomität für viele Sportler, Trainer oder Betreuer ein gewinnbringendes Instrument darstellen. Es bestehen einfache Umsetzungen für diese Art der Belastungssteuerung. Die RPE kann beispielsweise mit einfachen Mitteln durch Tableteingabe, Apps oder Abreiszettel (mit einer Scala von 0 bis 10) ermittelt werden. Multipliziert mit der Trainingsdauer (Minuten) steht dem Trainer zeitnah die sRPE der Trainingseinheit für den Athleten oder auch für die ganze Mannschaft zur Verfügung.

Die Balance zwischen Verletzungsprävention und Hochleistungen: Zu viel trainieren oder nicht genug?

Erfolgreiche Sportmannschaften sind auch dadurch gekennzeichnet, dass sie weniger verletzte Spieler haben und somit auf ein größeres Kontingent an Möglichkeiten zurückgreifen können. Obwohl viele Studien zeigen, dass eine hohe Trainingsbelastung in Zusammenhang mit einem erhöhten Verletzungsrisiko steht, sollten nicht grundsätzlich hohe Belastungen ausgespart werden. Es ist wichtig diese Ergebnisse in einen gewissen Kontext einzuordnen, denn eine zu niedrige Trainingsbelastung führt ebenso zu einem erhöhten Verletzungsrisiko und weniger Leistungsvermögen im Wettkampf. Das ideale Level besteht aus einem schrittweisen Aufbau der Belastbarkeit, damit überhaupt hohe Trainingsbelastungen durchgeführt werden können. Aber erst dann sind die Athleten auch auf die hohen Belastungen des Wettkampfes ausreichend vorbereitet.

Hohe Belastungen können durch unterschiedliche Variablen hervorgerufen werden, dazu gehören neben dem Trainingsumfang auch die Intensität, die Eintönigkeit der Belastung und die Erholungszeiträume. Nicht allen hohen Belastungen ist das gleiche Verletzungsrisiko zuzuordnen. Beachtet man das Anforderungsprofil einer Sportart, so kann man bewusst an den entscheidenden „Rädchen“ drehen und schrittweise die benötigte Belastbarkeit aufbauen, um das Verletzungsrisiko in der Sportart zu senken.

Welche Möglichkeiten und Erfahrungen zum Thema Belastungssteuerung habt ihr gemacht? Was funktioniert gut, ist praktikabel und zuverlässig? Wir freuen uns über eure Einschätzungen und den Austausch untereinander!

Hier findet ihr den link zum Open Access Artikel.