Gehirnerschütterung im Sport – ein unterschätztes Risiko? (Teil 4)

Return-to-Play-Konzept – Wann darf Sport wieder durchgeführt werden?

Eine Gehirnerschütterung kann im Schweregrad schlecht erfasst werden und häufig kann weder eine Computertomografie noch eine normale Kernspintomographie die Folgen der Verletzung zeigen. Es braucht sehr viel Aufklärung und Überzeugungskraft seitens Ärztin/Arzt, Trainerin/Trainer oder der Eltern um eine zu frühe Rückkehr in den Sport zu verhindern. Erst wenn die primären Zeichen der Gehirnerschütterung in der beschriebenen Ruhe-Phase vollständig verschwunden sind, sollte wieder mit der sportlichen Betätigung begonnen werden. 

Oft dauert diese Phase bis zu einer Woche, häufig ist sie allerdings auch schon nach 2-4 Tagen vorbei. Während dieser Phase können und sollten schon leichte Belastungen der Denkfunktion des Gehirns (Lesen, Konzentrationsübungen usw.) durchgeführt werden. Eine normale körperliche Alltagsbelastung darf ebenfalls angestrebt werden. Wenn dabei keine Einschränkungen mehr vorliegen, kann mit der Sportbelastung dosiert begonnen werden.

Das so genannte Return-To-Play-Konzept trägt dem Umstand der Hirnleistungsstörung am meisten Rechnung und sollte deshalb konsequent Anwendung finden. So können Spätfolgen vermieden werden.

Vorbei sind die Zeiten, als es zum guten Ton gehörte, sich nach einem K. O. wieder aufzurappeln und weiter zu spielen. Die Folgen sind heute in den vielen bedauernswerten Schicksalen ehemaliger Boxer-, Rugby- und Eishockeyspieler zu sehen.

Die allmähliche, belastungsabhängige Wiedererlangung der Sportfähigkeit ist eine große Herausforderung für Aktive, Trainerinnen/ Trainer und Ausbilder. Die typischen Symptome wie Nebel-Gefühl, Kopfschmerzen, Koordinationsstörungen, Schwindel, Übelkeit, schnelle geistige und körperliche Ermüdung, Konzentrationsschwäche, Empfindlichkeit gegen Licht und Lärm und psychische Instabilität müssen vollständig verschwunden sein, ehe die nächste Stufe der Belastung erfolgen darf. Bleiben die Symptomen oder treten sie erneut auf, soll auf eine Erhöhung der Trainingsbelastung verzichtet werden. Dabei ist viel Geduld und Eigenverantwortung erforderlich. Das aktuell im Sport etablierte Return-to-Play-Konzept basiert auf 6 Stufen.

Pro Schritt im Return-to-Play-Konzept wird mindestens 1 Tag veranschlagt. Das  Protokoll wurde für Kinder ab dem 10. Lebensjahr entwickelt. Speziell jüngere Kinder sollten nach speziellen Richtlinien und noch konservativer (verzögerter) behandelt werden.

6-Stufen-Konzept Return-to-Play

1. geistige und körperliche RUHE bis Symptomfreiheit besteht

2. leichte Aktivitäten wie „Walking“ oder Radfahren auf dem Ergometer

3. sport-spezifisches Training wie Skaten, Laufen

4. Trainingsübungen ohne Körperkontakt

5. Trainingsübungen mit Körperkontakt nach medizinischer Einschätzung

6. Matchfähigkeit

Achtung: Ein Trainingsbeginn oder Match bei noch vorliegenden Symptomen einer Gehirnerschütterung ist gefährlich und hat eine längere Erholungszeit, einer Symptomverschlimmerung oder sogar das sog. „Second Impact Syndrom“ zur Folge. Dies ist zwar selten, kann aber auftreten, wenn eine zweite Gehirnerschütterung stattfindet, bevor die erste ausgeheilt ist. Im schlechtesten Fall kann es zum Anschwellen des Gehirns innerhalb des Schädels kommen, was in seltenen Fällen sogar zum Tod geführt hat.

Vorgehen bei Beschwerden, die länger als 4 Wochen andauern.

Die Beschwerden können häufig noch 3-4 Wochen über dem „normalen“ Verlauf von hinaus auftreten. Auch nach über einem Jahr treten noch in >15% relevante Symptome – überwiegend Kopfschmerzen und Bewegungsstörungen – auf. Spätestens nach 4 Wochen sollte im Freizeitsport (im professionellen Sport auch früher) eine neuropsychologische Mitbehandlung erfolgen. Eine zusätzliche neuropsychologische Testung kann unterstützend erfolgen und kann die Verlaufsbeurteilung nach Gehirnerschütterung erleichtern. Da die neurokognitive Symptomatik (Denkfunktionen) im Vergleich zur klinischen Symptomatik häufig länger bestehen bleibt, kann eine neuropsychologische Beurteilung von Sportlerinnen und Sportlern nach Gehirnerschütterung sinnvoll sein. Sie sollte jedoch nicht alleinige Grundlage von Entscheidungen hinsichtlich des Managements sein. Diese Testungen können klassisch als Papier- und Bleistift-Tests erfolgen oder computerassoziiert. Im Sport konnte gezeigt werden, dass ein computergestützter neuropsychologischer Test zur objektiven funktionellen Beurteilung des Gehirns beitragen und die Schwere-Beurteilung von Gehirnverletzungen sowie die daraus abzuleitenden Return-to-Play-Empfehlungen unterstützen kann. Diese Untersuchung sollte aber auf keinen Fall die medizinisch klinische Einschätzung ersetzen. 


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