Gespräch auf Augenhöhe

„Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können“ (Abraham Lincoln)

 In der Fachzeitschrift physiopraxis (März 2015, 13. Jahrgang, SS. 44-47) haben wir einen schönen Artikel von Dr. Thomas Messner gefunden, der die Relevanz der richtigen Kommunikation zwischen Patienten und Therapeuten thematisiert. Im folgenden Text fassen wir für euch die wichtigsten Punkte prägnant zusammen.

Immer wieder kommt es vor, dass trotz guter Ratschläge der Physiotherapeuten die „Hausaufgaben“ von den Patienten nicht erledigt werden. Oftmals dienen die Physiotherapeuten ihren Patienten mit guten Tipps und Ratschlägen, schreiben sogar Trainingspläne und versuchen den Patienten die Motivation zu entlocken, ihren Eigenanteil auch wirklich zu erbringen. Dennoch stellt sich häufig keine Verbesserung ein und das liegt nicht immer an fehlender Motivation seitens der Patienten. Dr. Thomas Messner stellt den Physiotherapeuten folgende Fragen:
„Was erzählen uns unsere Patienten nicht? Wovon wissen wir als Therapeuten nichts? Sehen wir die Welt aus den Augen unserer Patienten?“

Gleichzeitig gibt er Hinweise, was die Kommunikation zwischen Patient und Therapeut und somit häufig auch den Heilungsverlauf nachhaltig positiv beeinflussen kann.

„Ja, aber“- Sätze:

Der Eigenanteil der Patienten am Behandlungserfolg ist besonders wichtig.  Somit wird sogar vom Gesetzgeber gefordert, dass durch den Therapeuten die Compliance und Adhärenz der Patienten verbessert wird. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, dem Patienten bei der Erstellung der Therapieziele Spielraum zu lassen und dabei als Person auf Augenhöhe zu agieren, statt als Experte der vorschreibt, was zu tun ist.
Hierzu findet die sogenannte „Motivierende Gesprächsführung“  Anwendung, welche auf der Grundlage beruht, dass jeder Mensch eine Motivation zur Veränderung besitzt. Ziel ist es diese Motivation gemeinsam mit dem Patienten zu finden. 

Die Grundhaltung hinsichtlich Veränderungen ist laut der „Motivierenden Gesprächsführung“ ambivalent, sodass sich immer Gründe für und gegen eine Veränderung finden lassen. Manchmal sind diese dem Patienten bereits bewusst, oft aber auch nicht. Die Tendenz neigt dazu das eigene Verhalten zu rechtfertigen, was lediglich einer Abwehrreaktion gleichkommt. Und je mehr Argumente der Therapeut bringt (und sich der Patient dagegen rechtfertigt), desto öfter festigt sich das destruktive Verhalten des Patienten, denn die Handlung wird von der Aussage des Patienten beeinflusst. In diesem Sinne ist immer dann Vorsicht geboten, wenn „ja aber“- Sätze fallen. 

Entscheidungen akzeptieren heißt nicht, sie gutzuheißen:

Das ambivalente Verhalten des Patienten sollte grundsätzlich akzeptiert und Argumente von mehreren Seiten beleuchtet werden. Durch eine innere Haltung, die laut Miller und Rollnick „Spirit“ genannt wird, kann die intrinsische Motivation des Gegenüber nachhaltig sichtbar gemacht werden.

1. Partnerschaftlichkeit:

Der Therapeut tritt als gleichberechtigter Partner gegenüber dem Patienten auf. Er ist der medizinische Experte. Der Patient ist Experte in Bezug auf sein eigenes Leben und seiner Möglichkeiten. Es findet ein Expertenaustausch statt, wodurch der Therapeut die Belange und das Verhalten des Patienten besser erfassen kann.

2. Akzeptanz & Annahme:

Hierbei handelt es sich um ein unvoreingenommenes, empathisches und ehrlich interessiertes Entgegentreten Seitens des Therapeuten. Er akzeptiert das Verhalten und die Entscheidungen des gegenüber, auch wenn er sie nicht gleich gutheißen muss. Ein Schätzen der Stärken und Erfolge des Gegenüber fördert das Gefühl der Annahme und des Respekts.

3. Hervorlocken:

Die innen liegende Motivation des Patienten sollte durch eine Analyse der ambivalenten Gefühls- und Verhaltenslage zu Tage gefördert werden und somit die Compliance des Patienten verstärken. 

4. Anteilnahme:

Grundsätzlich gilt, dass die Belange und Probleme des Patienten wichtiger sind, als die Bedürfnisse des Therapeuten. Diese sollten ohne Wertung erkannt und beachtet werden.

Das Nachdenken fördern durch offene Fragen:

Miller und Rollnick haben sieben Möglichkeiten für eine erfolgreiche Gesprächsführung aufgestellt, welche die Kommunikation zwischen Patient und Therapeut verbessern. 

1. Offene Fragen:

Ein erzählender Patient gibt dem Therapeuten deutlich mehr Informationen an die Hand, als einer, der ohne nachzudenken nur mit „Ja“ und „Nein“ antworten muss. Deshalb sollten Fragen möglichst offen gestellt werden, sodass der Patient seine Sichtweise wiedergeben kann.

2. Aktives Zuhören:

Die Methode des aktiven Zuhörens beinhaltet die inhaltliche Wiederholung des vom Patienten wiedergegebenen. Hierdurch merkt der Patient, dass der Therapeut wirklich Interesse an der Information hat und kann gegebenenfalls auch Missverständnisse aufklären.

3. Würdigung & Wertschätzung:

Durch das aktive Zuhören zeigt man dem Patienten gleichzeitig, dass seine Informationen als wertvoll erachtet werden und er verstanden wird.

4. Zusammenfassung:

Es dient dem Patienten als Hilfe, wenn der Therapeut das bereits Gesagte zu bestimmten Zeitpunkten nochmals zusammenfasst. Gerade wenn der Patient Argumente für eine Veränderung benennt, sind diese doppelt gehört auch doppelt wertvoll.

5. Geschmeidiger Umgang mit Widerstand:

Erfährt der Therapeut Widerstand Seitens des Patienten, so ist dieser anzuerkennen und wertschätzend zu behandeln. Ein Schlagabtausch und Argumentationen sind zu vermeiden. Hier gilt „Dancing, not wrestling“!

6. Förderung von „Change Talk“:

Als „Change Talk“ bezeichnet man das Thematisieren von Veränderungen, auf die der Patient bei seiner intrinsisch motivierten Suche gestoßen ist. Der Patient wird hierdurch zum Fürsprecher seiner eigenen Wünsche, Gründe, Fähigkeiten und Notwendigkeiten, die „zur gewünschten Verhaltensänderung beitragen. Bei der Suche nach diesen Punkten kann der Therapeut durch eine geschickte Gesprächsführung Anstoß geben. Beispielsweise durch das Betrachten von bereits erlebten Situationen, oder Zukunftsvisionen des Patienten. 

7. Förderung von „Confidence Talk“:

Um die Zuversicht des Patienten zu erhöhen und somit seine Selbstwirksamkeitsüberzeugung zu stärken bedarf es einer gesunden Ressourceneinschätzung Seitens des Patienten. Bereits eingefahrene Erfolge in der Vergangenheit und die daraus abgeleiteten zur Verfügung stehenden Ressourcen sollen dem Patienten in Erinnerung gerufen werden. Die Ressourcen können übrigens auch in der Bewältigung von Misserfolgen gefunden werden.

Diese hier thematisierten Punkte können dem Therapeuten dabei helfen, eine erfolgreiche Kommunikation zum Patienten aufzubauen und daraufhin gemeinsam mit dem Patienten die individuell richtigen Wege ausfindig zu machen. Heraus kommt ein intrinsisch motivierter Patient, der die Anforderungen, aber auch die Ressourcen für Veränderungen kennt. Anschließend gilt es nur noch die anzustrebenden Punkte zu konkretisieren und Pläne zu deren Umsetzung zu entwerfen, denn nur so kommt es auch zur praktischen Umsetzung.

Der Patient darf nicht als der Befehlsempfänger gesehen werden, sondern als gleichberechtigter Partner in einem Veränderungsprozess. So können medizinischer Experte und der Experte für das eigene Leben das bestmögliche Resultat erzielen.

Diese Art von Gesprächsführung scheint von außen gesehen sehr aufwändig. Allerdings kann es genauso aufwändig sein, einen Patienten von Mal zu Mal mit nicht gemachten „Hausaufgaben“ und ohne Veränderung wiederzusehen. Das beeinträchtigt dann im schlechtesten Fall auch noch die eigene Motivation. Unter Physiotherapeuten gibt es häufig ein Gesprächsthema-das Zeitproblem. Wie soll man in so knapper Zeit sich auch noch für solche Methoden Zeit nehmen? Es geht in erster Linie darum, diese Art von Gesprächsführung mit zu berücksichtigen und im Hinterkopf zu behalten und somit nach und nach danach zu handeln.

Mit diesen Abschlussworten wünscht euch das Team der spt-education eine gute Woche.

Quellen: 

1. Miller WR, Rollnick S. Motivational Interviewing. Helping People Change. 3. Aufl. New York, London: The Guilford Press; 2013

2. Miller WR, Rollnick S, Buttler C. Motivierende Gesprächsführung in den Heilberufen: Core Skills für Helfer. Lichtenau: Probst Verlag; 2012

3. Körkel, J. 30 Jahre Motivational Interviewing: Eine Übersicht und Standortbestimmung. Suchttherapie 2012; 13: 108–118

4. Körkel J, Veltrup C. Motivational Interviewing: Eine Übersicht. Suchttherapie 2003; 4: 115–124

5. Messner T. Änderung des Aktivitätsverhaltens im Rahmen von ambulanten physiotherapeutischen Behandlungen. Effekte einer Planungs- und Handlungskontrollintervention. PT Zeitschrift für Physiotherapeuten 2012; 64: 6–13