How much is too much? (II) – IOC Konsens Statement zur Belastungssteuerung und Verletzungsrisiko im Sport

Im zweiten Teil der Konsensfindung des IOC zum Thema „Belastung im Sport und das Risiko von Erkrankungen“ geht es vermehrt um die Erkrankungszahlen im Sport bei größeren internationalen Wettkämpfen und die Möglichkeiten zur Prävention.

Epidemiologie von akuter Krankheit bei Hochleistungssportlern im Wettbewerb
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Diese Daten zeigen, dass bei kürzeren (<4 Wochen), großen internationalen Wettkämpfen und Turnieren 6-17% der registrierten Athleten von einer Krankheit betroffen waren. Dabei haben weibliche Athleten im Vergleich zu männlichen Athleten einen höheren Inzidenzanteil. Die Daten deuten darauf hin, dass die Athleten, die an den Paralympischen Spielen teilnehmen häufiger betroffen sind als Athleten, die an den Olympischen Spielen teilnehmen.
Die von akuten Erkrankungen betroffenen Organsysteme bei Sportlern weisen ein sehr konsistentes Muster auf. Die meisten Studien zeigen, dass etwa 50% aller akuten Erkrankungen bei Sportlern während Wettkämpfen und Turnieren die Atemwege betreffen. Andere Systeme, die gewöhnlich von Krankheiten betroffen sind, sind das Verdauungssystem, die Haut und das subkutane Gewebe sowie das Urogenitalsystem. In der Mehrzahl der Studien, in denen akute Erkrankungen bei Sportlern untersucht werden, handelt es sich entweder um selbstdiagnostizierte Symptome einer akuten Erkrankung oder um eine ärztliche Diagnose. Keine dieser epidemiologischen Studien verwendete spezielle Untersuchungen, um die Diagnose einer infektiösen Krankheit zu bestätigen. Trotz dieser Einschränkung werden klinisch diagnostizierte Infektionen im Allgemeinen als die häufigste Ursache für akute Erkrankungen genannt, wobei Infektionen in 75% der Fälle die Ursache für Atemwegserkrankungen sind. Es wird jedoch festgestellt, dass Sportler Symptome entwickeln können (z. B. Halsschmerzen, Verstopfung der Nasennebenhöhlen, Husten), die Infektionen nachahmen, aber tatsächlich auf Allergien oder Entzündungen durch andere Ursachen wie Einatmen von kalter, trockener oder verschmutzter Luft zurückzuführen sind.

Leistungsverlust und akute Krankheitsrisiken bei Hochleistungssportlern 
Eine akute Erkrankung stellt eine erhebliche gesundheitliche Belastung für den Athleten dar und kann eine Verringerung der Trainingsleistung, eine Trainingsunterbrechung und sogar einen Abbruch/Nichtteilnahme von wichtigen internationalen oder nationalen Wettbewerb zur Folge haben. Akute infektiöse Erkrankungen können eine Reihe von Organsystemen betreffen, die eine Reduktion der Trainingsleistung durch verschiedene Mechanismen verursachen, einschließlich Muskelschwund, gestörte motorische Koordination, Abnahme der Muskelstärke (isotonisch und isometrisch), Abnahme der maximalen Sauerstoffaufnahme und Ausdauer sowie Veränderungen in der Muskel-Enzym-Aktivität und von Stoffwechselfunktionen. Darüber hinaus verursacht das Vorhandensein von Fieber eine Abnahme der Fähigkeit des Körpers, die Körpertemperatur zu regulieren, was zu erhöhten Flüssigkeitsverlusten führt. Ein erhöhter Flüssigkeitsverlust kann sowohl das Schlagvolumen als auch das Herzminutenvolumen verringern, was zu einem reduzierten maximalen Sauerstoffverbrauch führt. Es wurde auch dokumentiert, dass eine Abnahme der Trainingsleistung nach vollständiger klinischer Erholung von einer Erkrankung der oberen Atemwege (URT) für 2-4 Tage andauern kann. Bei britischen Eliteathleten aus 30 verschiedenen olympischen Sportarten (24 Sommer, 6 Winter) wurde berichtet, dass 33% der versäumten Trainingseinheiten auf Erkrankungen zurückzuführen ist. Akute infektiöse Erkrankungen (am häufigsten im Bereich der Atemwege) können auch das Risiko schwerer medizinischer Komplikationen und sogar eines plötzlichen Todes bei anstrengender körperlicher Betätigung erhöhen.

Es gibt viele intrinsische und extrinsische Risikofaktoren, die mit akuten Erkrankungen bei Sportlern verbunden sind. Außerdem ist anerkannt, dass diese Risikofaktoren bei verschiedenen Arten akuter Erkrankungen in den unterschiedlichen Organsystemen sehr verschieden sein können. Es gibt jedoch auch Anzeichen dafür, dass erhöhte Trainingsbelastung, Wettkampfbelastung und psychosozialer Stress zusammen mit internationalen Reisen (als Teil eines überlasteten Sportkalenders) allesamt Risikofaktoren für Krankheiten bei den Elite-Profis sind.

Maßnahmen und Überwachung
Die Beziehung zwischen der Gesundheit des Athleten und der Belastung kann im Kontext eines Kontinuums des Wohlbefindens gesehen werden, in dem Belastung und Erholung einander gegenüberstehen. Sportliche und nichtsportlichen Stress belasten die Athleten und verlagern ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden auf ein Kontinuum, das von der Homöostase zu akuter Müdigkeit, übergreifendem OTS (Overtraining syndrome), subklinischen Immunveränderungen, klinischen Symptomen, Krankheit (oder Verletzung) und letztlich zum Tod führt. Der Tod ist im Sport selten und typischerweise (meist) mit einer Vorkrankheit verbunden. Bei Sportlern endet die Verschlechterung (klinisch und in der Leistung) entlang des Kontinuums in der Regel bei Zeitverlustverletzungen oder Krankheiten. Zu diesem Zeitpunkt muss der Athlet die weitere Belastung einstellen. Bei adäquater Erholung nach einer Belastung kehrt sich der Prozess um, was zu einer wiederhergestellten Homöostase bei einer höheren Fitness und einem verbesserten Leistungspotenzial führt (Abbildung 1).

Well being continuum

Abbildung 1: Well-being continuum; nachgezeichnet nach Fry, R. W., Morton, A. R., & Keast, D. (1991). Overtraining in athletes. Sports Medicine, 12(1), 32-65.

Allgemeine Richtlinien zur Krankheitsprävention bei Sportlern Verhaltens-, Lifestyle- und medizinische Strategien
Es gibt eine Vielzahl von Verhaltens-, Lebensstil- und medizinischen Interventionsstrategien, um das Krankheitsrisiko des Sportlers zu reduzieren. Dazu gehört die Beratung von Sportlern, Maßnahmen des medizinischen Personals und des Athleten-Support-Teams.

Athleten wird empfohlen:

  • Minimierung des Kontakts mit infizierten Personen, Kleinkindern, Tieren und ansteckenden Objekten;
  • Meiden von überfüllten Bereiche und Händeschütteln sowie Minimierung des Kontakts mit Personen außerhalb des eigenen Teams und des Support-Personals;
  • Abstand zu Personen, die husten, niesen oder eine laufende Nase haben, und bei Bedarf eine Wegwerfmaske tragen;
  • Husten oder niesen auf den Ellenbogen und nicht auf die Hände – immer die Hände und die Nase nach dem Niesen oder Husten reinigen;
  • Hände regelmäßig und effektiv mit Wasser und Seife waschen, besonders vor den Mahlzeiten und nach direktem Kontakt mit potenziell ansteckenden Personen, Tieren, Blut, Sekreten, öffentlichen Plätzen und Badezimmern;
  • Einweg-Papiertücher verwenden
  • Insektenschutzmittel, antimikrobiellen Schaum / Creme oder Alkohol-basierte Handwaschgel verwenden;
  • Trinkflaschen, Tassen, Besteck, Handtücher usw. nicht mit anderen Menschen teilen;
  • Nur Getränke aus verschlossenen Flaschen verwenden, Meidung von rohem Gemüse und ungekochtem Fleisch, waschen und schälen von Obst vor dem Essen, besonders beim Wettkampf/Training im Ausland;
  • Bei Trainingseinheiten in tropischen Gebieten, besonders in der Abenddämmerung, genügend gedeckte Kleidung (die Arme und Beine bedeckt) tragen;
  • Offenes Schuhwerk in öffentliche Duschen, Schwimmbäder und Umkleideräume benutzen, um dermatologische Erkrankungen zu vermeiden.
  • Schlafrhythmus anpassen
  • Alkoholgenuss minimieren, da dies die Immunfunktion für mehrere Stunden beeinträchtigt, insbesondere nach anstrengendem Training oder Wettkampf;
  • NO GO: ungeschützter Geschlechtsverkehr.

Das medizinische Personal, das sich um Sportler kümmert, sollte folgendes beachten:

  • Entwicklung, Implementierung und Überwachung von Richtlinien zur Vorbeugung von Krankheiten für Athleten und des medizinischen und administrativen Teams/Personal;
  • Screening auf Atemwegsentzündungsstörungen (Asthma, Allergien und andere entzündliche Atemwegszustände);
  • Feststellen der risikoreichen Athleten und umfassende präventive Vorkehrungen während risikoreichen Trainings- oder Wettkampfzeiten treffen;
  • Buchung einer Unterkunft mit Einzelzimmer für Athleten mit starker Wettkampfbelastung oder bekannter Anfälligkeit für Infektionen der Atemwege oder für Hochleistungssportler;
  • Die Atemwege von Sportlern durch eine Gesichtsmaske vor direkter Kälteeinwirkung (<0 ° C) und trockener Luft schützen
  • Rechtzeitige Beschaffung von nötigen Impfstoffen und Abklärung möglicher Dopingvergehen
  • Zink Lutschtabletten (> 75 mg Zink / Tag; hoher ionischer Zinkgehalt) bei möglichen ersten Anzeichen einer Atemwegserkrankung

Das Athleten-Support-Team kann Ernährungsmaßnahmen planen um eine Immunität bei Sportlern aufrechtzuerhalten:

  • Einführung von personalisierten Ernährungsprogrammen um Mangel an essentiellen Mikronährstoffen zu vermeiden;
  • Sportler ermutigen, Kohlenhydrate während und nach dem Training einzunehmen und sowohl Kohlenhydrate als auch Proteine ​​nach dem Training zu sich zu nehmen;
  • Messen und Überwachung des Vitamin-D-Status von Sportlern und bei Bedarf ergänzen;
  • Probiotika für Sportler täglich einnehmen.
  • Einnahme von Obst und Pflanzen, Polyphenolpräparaten (z.B. Quercetin) oder Lebensmitteln (z.B. alkoholfreies Bier und grüner Tee), die das Krankheitsrisiko reduzieren können

Training und Wettkampflastmanagement

Es gibt Hinweise darauf, dass ein schlechtes Belastungsmanagement mit daraus resultierender Fehlanpassung ein signifikanter Risikofaktor für akute Erkrankungen und Übertraining sein kann. Die Daten beschränken sich jedoch auf wenige ausgewählte Sportler- und Sportlerpopulationen. Dies macht es zusammen mit der Einzigartigkeit der verschiedenen Sportarten schwierig, sportspezifische Richtlinien für das Belastungsmanagement bereitzustellen. Folgende allgemeine Empfehlungen können jedoch gemacht werden:

  • Sehr hohe Belastungen können bei Sportlern sowohl positive als auch negative Einflüsse auf das Krankheitsrisiko haben, wobei die Wettkampfintensität (Elite), die Belastungshistorie (chronische Belastung) und das intrinsische Risikofaktorprofil von Bedeutung sind;
  • Sportler sollten über einen detaillierten individualisierten Trainings- und Wettkampfplan verfügen, einschließlich Maßnahmen zur Erholung nach dem Wettkampf (dazu gehören auch die Planung von Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Schlaf und psychologische Erholung);
  • Die Trainingsbelastung wird mit Messungen der externen und internen Belastung überwacht

Die Trainingsbelastung wird durch die folgenden Prinzipien verwaltet:

  • Änderungen in der Trainingsbelastung sollten individualisiert werden, da große intraindividuelle und interindividuelle Unterschiede im Hinblick auf die Anpassung an die Belastung bestehen;
  • Änderungen der Trainingsbelastung sollten in kleinen Schritten erfolgen, wobei die Daten (aus der Verletzungsliteratur) darauf hinweisen, dass wöchentliche Erhöhungen <10% sein sollten;
  • Die Wettbewerbsbelastung wird überwacht und verwaltet;
  • Eine Variation der psychologischen Stressfaktoren eines Sportlers sollte die Verordnung von Trainings- und / oder Wettkampfbelastung leiten;
  • Es wird empfohlen, dass Trainer und Betreuer eine angemessene Erholung planen, insbesondere nach intensiven Trainingsphasen, Wettkämpfen und Reisen, einschließlich Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Schlaf und Ruhe, aktive Erholung, Entspannungsstrategien und emotionale Unterstützung;
  • Sportverbände haben die Verantwortung, die Wettkampfbelastung und damit die Gesundheit der Athleten bei der Planung ihres Veranstaltungskalenders zu berücksichtigen. Dies erfordert eine verstärkte Koordination zwischen Veranstaltern von Einzelsport- und Multisportveranstaltungen und die Entwicklung eines umfassenden Kalenders für alle internationalen Sportveranstaltungen.

Psychologisches Belastungsmanagement:

Psychische Belastungen (Stressoren) wie negative Lebensereignisse, Stress und tägliche Probleme können das Krankheitsrisiko bei Sportlern signifikant erhöhen. Klinische, praktische Empfehlungen umfassen Folgendes:

  • Entwicklung von Resilienzstrategien, die Athleten helfen, die Beziehung zwischen persönlichen Eigenschaften, negativen Lebensereignissen, Gedanken, Emotionen und physiologischen Zuständen zu verstehen. Dies kann wiederum dazu beitragen, die Auswirkungen negativer Lebensereignisse und das daraus folgende Krankheitsrisiko zu minimieren;
  • Training von Athleten in Techniken des Stressmanagements, Vertrauensbildung und Zielsetzung (optimal unter der Aufsicht eines Sportpsychologen), um die Auswirkungen von Stress zu minimieren und die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten zu reduzieren;
  • Reduzierung von Trainings- und / oder Wettkampfbelastungen und -intensitäten zur Verringerung des Krankheitsrisikos für Athleten, die infolge von negativen Lebensereignissen oder anhaltenden täglichen Problemen unkonzentriert erscheinen;
  • Durchführung von periodischen Stress-Assessments (z.B. Stress- und Uplift-Skalen, 101 LESCA102) um die Anpassung der Trainings- und / oder Wettkampfbelastungen der Athleten zu beeinflussen. Ein Athlet, der einen hohen Grad an akutem oder chronischen Stress berichtet, könnte wahrscheinlich davon profitieren, die Trainingsbelastung während eines bestimmten Zeitraums zu reduzieren, um mögliche Müdigkeit, Krankheit oder Burnout zu vermeiden 

Messung und Überwachung auf frühe Anzeichen und Symptome von Krankheit, Übergreifen und Übertraining

  • Der Einsatz sensibler Maßnahmen zur Überwachung der Gesundheit eines Sportlers kann zur Früherkennung von Symptomen und Krankheitsanzeichen führen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Die angeborene Neigung der Sportler, trotz körperlicher Beschwerden oder funktioneller Einschränkungen, insbesondere auf elitärem Niveau, weiterhin zu trainieren und zu konkurrieren, unterstreicht die dringende Notwendigkeit, geeignete Instrumente zur Krankheitsüberwachung einzusetzen. Es wird empfohlen, dass:
  • Laufende Überwachungssysteme für Krankheiten (und Verletzungen) sollten in allen Sportarten eingesetzt werden;
  • Mit der Aufzeichnung subtiler Krankheitszeichen wie unspezifischen Symptomen und Zeichen oder durch ausgewählte Spezialuntersuchungen werden Athleten mit sensiblen Instrumenten überwacht;
  • Athleten werden auf offensichtliche Symptome und Krankheitszeichen überwacht;
  • Athleten werden auf frühe Symptome und Anzeichen von Übertraining überwacht

Das Krankheits-Monitoring sollte andauern und lang genug sein, um frühe Krankheitsindikatoren zu erkennen. Insbesondere bei Veränderungen in der Trainingsbelastung, bei Reisen und Wettkämpfen.

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