Propriozeptives Training nach vorderer Kreuzbandrekonstruktion

Viele Physiotherapeuten haben regelmäßigen Kontakt mit Patienten, die nach einer Kreuzband Operation ein Reha Programm absolvieren. Immer mehr in den Fokus gerät dabei das propriozeptive Training als mögliche Reha Maßnahme.

Diese funktionelle und alltagsorientierte Übungsform findet bei den Therapeuten immer größeren Anklang, auch aufgrund Ihrer Effektivität. Das Programm soll erneute Verletzungen vorbeugen, indem sie beispielsweise die Kniegelenksstabilität erhöhen und physiologische Bewegungsabläufe trainieren. 

Propriozeptives Training nach vorderer Kreuzbandrekonstruktion

Einleitung:

Viele Physiotherapeuten haben regelmäßigen Kontakt mit Patienten, die nach einer Kreuzband Operation ein Reha Programm absolvieren. Immer mehr in den Fokus gerät dabei das propriozeptive Training als mögliche Reha Maßnahme. Diese funktionelle und alltagsorientierte Übungsform findet bei den Therapeuten immer größeren Anklang, auch aufgrund Ihrer Effektivität. Das Programm soll erneute Verletzungen vorbeugen, indem sie beispielsweise die Kniegelenksstabilität erhöhen und physiologische Bewegungsabläufe trainieren.

Vordere Kreuzbandruptur – Ein Überblick

Gerade bei Sportarten mit schnellen Richtungswechseln, wie z.B. Skifahren, Fußball oder Handball, zählt der Kreuzbandriss zu den häufigsten Sportverletzungen. Laut Delince & Ghafil (2012) und Nicholson, Refshauge, Adams & Roe (2009) erfolgt die Behandlung des Risses meist operativ. Bisher liegen jedoch keine Ergebnisse vor, die bestätigen, dass eine operative Behandlung der konservativen generell vorzuziehen ist. Nach einer Operation des betroffenen Knies zeigen die Patienten oft eine eingeschränkte Beweglichkeit im Kniegelenk, reduzierte Belastbarkeit und ein Kraftdefizit der gelenkumgebenden Muskulatur (van Cincel; Holla & van Loon, 2010). Das Reha-Programm soll die Leistungsfähigkeit des Patienten durch ein gezieltes Aufbauprogramm möglichst schnell und vollständig wiederherstellen. Bisher gibt es jedoch keine wissenschaftlich fundierte Leitlinie für eine Reha nach dem Kreuzbandriss, die bereits existierende wissenschaftliche Studien zu einer allgemeingültigen Handlungsempfehlung zusammenfasst. Lehrliteratur und diverse Experten geben an, dass ein propriozeptives Training einen immer wichtigeren Stellenwert in der Nachbehandlung einnimmt.

Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? 

Propriozeption, auch Tiefensensibilität genannt, bedeutet übersetzt so viel wie die Eigenwahrnehmung des Körpers und beschreibt konkret einen Teilbereich der Koordination (Hassenpflug, 2007). Es handelt sich dabei um eine komplexe Sinnenswahrnehmung, mit welcher der Körper das Gehirn über die Position bzw. den Aktivitätszustand der Gelenke, Muskeln und Sehnen informiert.

Folgende Funktionen werden dadurch ermöglicht:

– Stellungssinn: Empfindung über die aktuelle Ausgangstellung des Körpers

– Bewegungssinn: kontinuierliche Rückmeldung über das Bewegungsausmaß und die Lage des Körpers bei Bewegung

– Kraft- und Widerstandssinn: Vermittlung und Dosierung zwischen Druck und Zug

(Definition aus DocCheckFlexikon)

Spezielle Rezeptoren (Propriozeptoren) nehmen die propriozeptiven Reize auf und ermöglichen so die Wahrnehmung des Körpers, sowie die sensorische Rückmeldung des Gelenkes. Neben den aktiven und passiven Rezeptoren können auch Nozizeptoren (verantwortlich für Schmerzwahrnehmung) wahrgenommen werden (Chwilkowski, 2006; Häferlinger & Schuber, 2010). Laut Wyke (1967) existieren im Kniegelenk eine sehr große Anzahl an Mechanorezeptoren, welche die Spannungszustände der Muskulatur, Informationen über die Haltung und Position der Gelenke, sowie Gelenkwinkelveränderungen an das Gehirn weitergeben. Allein im vorderen Kreuzband sind alle Typen von Gelenkrezeptoren nachweisbar (Schultz et al. 1984; Schutte et al. 1987)

Bei einer Kreuzbandverletzung kommt es nicht nur zu einer passiven Instabilität, sondern sie führt auch zur Zerstörung von Mechanorezeptoren und damit zur dynamischen Instabilität. Stellungskorrekturen der umliegenden Muskulatur können so nicht mehr vorgenommen werden. Ziel des Propriozeptiven Trainings ist, die dynamische Stabilität im verletzten Knie zu verbessern. Die Arbeitsmuskulatur kann durch Reizweiterleitungen somit schneller und gezielter auf veränderte Gelenkstellungen reagieren und ggf. Korrekturen vornehmen. Durch taktile Reize, Vibration und instabile Unterlagen wird eine Erhöhung der Afferenzen erreicht (Jerosch & Heisel, 2004). Der Therapeut sollte bei seinem Training die methodischen Grundsätze des neuromuskulären Trainings berücksichtigen. Das Propriozeptionstraining kann dem Koordinationstraining zugeordnet werden und es gelten daher die gleichen methodischen Grundsätze: (aus Chwilkowski, 2006, S. 56-58)

– Vom Leichten zum Schweren

– Von einfachen zu komplexen Anforderungen

– Von statischen zu dynamischen Anforderungen (mit Halteaufgaben beginnen)

– Von langsamer zu schneller Bewegungsausführung

– Von stabiler zu instabiler Unterlage

– Von großer zu kleiner Unterstützungsfläche

– Vom Üben mit offenen zum Üben mit geschlossenen Augen

– Manuelle Wiederstände setzen

Darüber hinaus ist die Bewegungsqualität enorm wichtig, um die propriozeptive Leistung zu steigern und motorische Alltagsbewegungen möglich zu machen. Therapeuten sollten daher stets die geforderten Bewegungen beschreiben, korrigieren und wenn gefordert, demonstrieren.

Was haltet Ihr von einem gezielten neuromuskulären Training nach einer Kreuzbandverletzung? Welche Erfahrungen habt Ihr mit Euren Patienten gemacht?