spt-Experteninterview: Athletiktraining im Handball

Handball gilt als eine der härtesten Sportarten weltweit. Um den harten Anforderungen verletzungsfrei entgegnen zu können, reicht meist ein normales Training mit gelegentlichem Krafttraining nicht aus. Wir sprechen mit Thorsten Ribbecke, Athletiktrainer der HSG Wetzlar (DKB Handball Bundesliga), über das Athletiktraining im Handballsport.

Höhere Stabilität – höhere Kraft – erhöhte Leistung? spt-education fragt – Experten antworten!

Thorsten, was kannst Du uns über die Wichtigkeit von speziellem Athletiktraining im Handball sagen?

Mittlerweile hat jeder Sport das Potenzial einer athletischen Ausbildung erkannt. Er ist nicht nur präventiv wichtig, sondern dient auch einer Leistungssteigerung in allen Bereichen. Daher ist das spezielle Athletiktraining im Handball sehr wichtig.

Wie sieht der typische Ablauf während einer Trainingseinheit für einen Athletiktrainer aus?

Der Ablauf ist abhängig von der jeweiligen Trainingsphase. Ein Training in der Vorbereitungsphase oder in englischen Wochen kann ganz anders aussehen als im normalen Saisonverlauf. Ein normales Athletiktraining in der Saison beginnt mit Bearbeitung der Gewebequalität über myofasziale Entspannungstechniken hin zu Mobilisation und Stabilisation. Dies dient gleichzeitig zur Aktivierung. Es folgt entweder ein spezieller Block zur Schnelligkeit oder es geht direkt in das Krafttraining mit einer anschließenden Utilisation in die Schnelligkeit. Zum Ende der Saison arbeiten wir auch viel im Kontrastbereich.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Athletiktrainer und Haupttrainer?

Die Zusammenarbeit muss im ganzen Team stimmen und ist extrem wichtig. Nicht nur zwischen Athletiktrainer und Haupttrainer. Das Team hinter dem Team bei uns besteht aus Chef- und Co-Trainer, Physiotherapeut, Ärzten, Betreuer, Geschäftsstelle, Nachwuchstrainern bis hin zum Hallenwart und den Putzfrauen in der Halle! 😉

Was sind die typischen athletischen Defizite, die sich im Handballsport herauskristallisieren?

Es ist schwierig, aufgrund des komplexen Anforderungsprofiles eine klare Priorisierung vorzunehmen. Der Handballspieler muss springen, sprinten, werfen, Zweikämpfen,…

Es gilt ihn daher in allen Bereichen auszubilden. Einige Hotspots sind Fußgelenk, Knie, Schulter oder Brustwirbelmobilität.

Wie, und vor allem wie gut, kann man dem präventiv entgegnen?

Man kann mit einem fortlaufenden, integrativen und simplem Monitoring sehr viel machen. Da geht es manchmal auch nicht nur um Verletzungen, sondern auch um (aktuell) Grippewellen. Natürlich ist auch eine Individualisierung ein wichtiger Teil, um präventiv einzuwirken.  

Was sollte man beim Athletiktraining Deiner Meinung nach besonders beachten und worauf kommt es an?

Wie schon im vorigen Punkt erwähnt ist ein Monitoring extrem wichtig. Dazu gehören Diagnostiken die einen fortlaufenden, integrativen und simplem Charakter besitzen. Trainingsinterventionen müssen immer wieder auf ihren Effekt überprüft werden. Nur so ist eine sinnvolle Trainingssteuerung möglich.

Es kursiert der Mythos, dass athletisch gut ausgebildete “Profis” grundsätzlich erfolgreicher und weniger verletzungsanfällig sind. Wie ist Deine Erkenntnis?

Das ist kein Mythos, sondern Realität. Die athletisch gut ausgebildeten “Profis” können aufgrund der harten Zweikampfführung im Handball nicht immer vor Verletzungen geschützt werden. Es ist aber zu sehen, dass Athleten die gut ausgebildet sind, viel schneller nach einer Verletzung ihr altes Leistungsniveau erreichen als schlecht ausgebildete. Mit dem Erfolg ist es so eine Sache. Die Athletik ist ja nur eine Zugangsvoraussetzung in Spielsportarten. Wenn ein Spieler das System nicht richtig versteht, nutzt ihm seine Athletik auch nichts. Wie sagt immer mein Cheftrainer Kai Wandschneider: “Was nützen 1000 Volt wenn die Birne nicht brennt.”

Zur Person:

TR  

Dipl. Sportwissenschaftler Thorsten Ribbecke betreut aktuell den hessischen Handballbundesligisten HSG Wetzlar im Athletikbereich und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Trainerakademie Köln des DOSB. Außerdem war er selbst 12 Jahre im Leistungssport Leichtathletik aktiv (110m Hürden). Interessante Artikel von Thorsten findet man regelmäßig in den Fachzeitschriften Leistungssport, Handballtraining und Leichtathletiktraining.