Stress beeinflusst die Wundheilung

„Der Einfluss von psychologischem Stress auf die Wundheilung: Methoden und Mechanismen“ (The Impact of Psychological Stress on Wound Healing: Methods and Mechanisms). Unter diesem Titel verfassten die Autoren Gouin und Kiecolt-Glaser ihren Review Artikel, der im Juni 2012 im Critical Care Nursing Clinics of North America 24(2);201-13 erschien.

In dem oben genannten Review werden verschiedene Studien thematisch zusammengefasst und die zugrunde liegenden Mechanismen näher betrachtet.

Einleitung:
Die Wundheilung ist ein sehr wichtiger Prozess, wenn es um die Erholung nach einer Verletzung oder eines operativen Eingriffs geht. Ein schlechter Wundheilungsverlauf führt dazu, dass es zu Infektionen oder Komplikationen kommen kann und sich auch der Aufenthalt im Krankenhaus sich deutlich verlängert. Zudem führt eine schlechte Wundheilung beim Patienten/Athleten häufig zu stärkeren Beschwerden und sorgt dafür, dass ein Wiedereinstieg in den Sport oder Alltag sich deutlich hinauszögert. Bis heute gibt es zahlreiche Untersuchungen über den Einfluss von psychologischem Stress auf die Wundheilung. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2009 von Walburn et al. konnte eine Korrelation von -.42 zwischen psychologischem Stress und der Wundheilung aufzeigen. Das bedeutet, je mehr psychologischer Stress, desto schlechter die Wundheilung. Der vorliegende Review fasst unterschiedliche Studienergebnisse verschiedenster Stressfaktoren zusammen und zeigt gleichzeitig auf, welche Mechanismen hierfür zu Grunde liegen könnten.

Beobachtungen:
Angst und schädlicher Stress (Distress) werden mit längeren Krankenhausaufenthalten, mehr postoperativen Komplikationen und einer höheren Rate von Wiederaufnahmen ins Krankenhaus in Verbindung gebracht.

–       Ängstliche Personen berichteten von einem erhöhten Stressempfinden und benötigten einen längeren Krankenhausaufenthalt. (Boeke et al. 1991)

–       Patienten, die optimistisch waren bezüglich ihrer Heilung, mussten weniger häufig wiederaufgenommen werden. Dem entgegengesetzt kamen Patienten, die depressive Symptome äußerten häufiger zu einer Wiederaufnahme. (Scheier et al. 1999)

–       Patienten mit depressiven Symptomen hatten häufiger Infektionen zu beklagen und wiesen insgesamt eine schlechtere Wundheilung auf. (Doering et al. 2005)

–       Hohe Levels an Depressivität und Ängstlichkeit wurden viermal häufiger einer verzögerten Heilungsgruppe zugeordnet. (Cole-King & Harding 2001)

Experimentalstudien:
Bei den vorliegenden Experimentalstudien wurden den Studienteilnehmern verschiedene, kontrollierte Wunden zugefügt. Hierbei wurden drei Arten der Wunden unterschiedene:

–       Punch biopsy model („Stanzwunden“ durch Biopsy)

–       Blister wounds model („Saugwunden“ durch Vakuum)

–       Tape strippingt o discrupt skin barrier funktion (“Abziehwunden” auf der Haut durch Zellophan Tape)

Punch biopsy model:
Punch Biopsien sind durch eine Stanze oder dickere Nadel zugefügte Wunden der Haut oder Muskulatur. Durch Betrachtung der Wunde und Wundumgebung oder bildgebende Verfahren wie Ultraschall kann der Heilungsverlauf eingeschätzt werden.

–       Pflegekräfte (repräsentierten eine chronische Stressgruppe) benötigten 24% länger für die Heilung ihrer zugefügten Wunde als die Kontrollgruppe. (Kiecolt-Glaser et al. 1995)

–       Gesunde junge Männer, die ein höheres subjektives Stresslevel angaben, zeigten im Ultraschall (ihrer zugefügten Verletzung) eine langsamerer Wundheilung als gesunde junge Männer, die weniger Stress verspürten. Es wurde eine negative Korrelation von -.59 zwischen empfundenen Stress und Wundheilung gefunden. Das bedeutet, je mehr subjektiv empfundener Stress, desto schlechter die Wundheilung. (Ebrecht et al 2004)

–       Das Schmerzempfinden ist auch ein psychologischer Stressor, der eine Auswirkung auf die Wundheilung hatte. Die Personen, die vermehrten akuten und chronischen Schmerz angaben, zeigten eine deutlich verzögerte Wundheilung gegenüber denen, die nicht so viel Schmerz verspürten. (McGuire et al. 2006 & Graham et al. 2006)

–       Tierstudien mit Mäusen bestätigen den Einfluss von Stress: Mäuse, die Stress ausgesetzt waren, zeigten eine 27% langsameren Heilungsverlauf als die Kontrollgruppe. (Padgett et al. 1998)

–       Im Tierversuch zeigten auch soziale Stressoren ihren Einfluss auf die Heilung der zugefügten Wunde. Mäuse, die nach der Verletzung isoliert wurden zeigten eine verlangsamte Wundheilung (im Vergleich zu den Mäusen, die zurück in ihre Gruppe konnten). (Martin et al. 2006)

–       Prüfungsstress konnte ebenfalls die Heilung beeinflussen. Studenten während der Examenszeit zeigten eine 40% langsamere Wundheilung als in den Ferien. (Marucha et al. 1998)

Blister wounds model:
Blister Wunden entstehen durch eine Vakuumpumpe, welche meist am Unterarm angesetzt wird. Hierbei wird die oberste Hautschicht von der darunter liegenden Haut leicht gelöst. Dies führt zu einer Änderung der Permeabilität der Haut. Die Wundheilung wird häufig an Faktoren wie dem „transepidermal water loss (TEWL)“ gemessen. Es handelt sich im Gegensatz zu der Punch biopsy um eine nicht-invasive Methode.

–       Paare, die einen Beziehungskonflikt durchmachen und sich dabei mit Problemen konfrontiert sehen, zeigten eine langsamere Wundheilung als solche Paare, die eine soziale Unterstützung in ihrem Konflikt erfahren durften. Paare, die sich sehr feindlich gegenüber standen zeigten bis zu 60% langsamere Wundheilungsverläufe. (Kiecolt-Glaser et al. 2005)

–       Individuen, die einen offenen Umgang pflegten, die bereit waren Akzeptanz für den Partner zu zeigen, die beziehungsaufbauende Aussagen trafen und Humor zeigten, konnte von einer deutlich schnelleren Wundheilung profitieren, als diejenigen, die diese positiven Verhaltensweisen nicht auswiesen. (Gouin et al. 2010)

–       Ein schlechtes „Ärger-Management“ führte zu einer vermehrten Ausschüttung von Cortisol und im Zuge dessen zu einer verschlechterten Wundheilung. (Gouin et al. 2008)

Tape strippingt o disrupt skin barrier function:
Ähnlich wie bei den Blister Wunden wird bei dieser Wundzufügung die Permeabilität der Haut beeinflusst. Anders als bei den Blister Wunden allerdings nicht mit Vakuum, sondern durch das Aufkleben und Abreisen eine Zellephanstreifend, der auf die Haut geklebt wird.

–       Der Trier Social Stress Test (TSST) ist ein standardisierter Stressor. Personen, die diesem Stressor ausgesetzt waren, zeigten eine langsamere Regeneration ihrer Hautbarriere. (Dickerson & Kemeny 2004 / Kirschbaum et al. 1993 / Robles 2007)

–       Auch der Umgang mit den Stressoren scheint eine Auswirkung zu haben. Personen, die trotz Stress positive Emotionen äußerten konnten schnellere Heilungsverläufe zeigen. (Robles et al. 2009)

–       Ähnlich wie bei der Blister Wunde konnte auch hier aufgezeigt werden, dass unter Prüfungsstress die Wunde weniger schnell heilt als in den Ferien. (Garg et al. 2000)

–       Frauen, im Scheidungsprozess oder mit starker Unzufriedenheit in der Partnerschaft, zeigten eine verzögerte Wiederherstellung der Hautbarriere gegenüber der weniger gestressten Kontrollgruppe. (Muizzuddin et al. 2003)

–       In einem Tierversuch konnte aufgezeigt werden, dass Mäuse, die immobilisiert wurden eine deutlich verzögerte Wiederherstellung der Hautbarriere aufwiesen, als solche, die diesem Stressor nicht ausgesetzt waren. (Denda et al. 1998)

–       Auch der zugefügte Stress bei Mäusen durch Käfigtransport zeigte eine negative Auswirkung auf die Heilung. (Denda et al. 2000)

Interventionsstudien:
In Interventionsstudien werden Methoden untersucht, die den Heilungsverlauf positiv beeinflussen, indem sie beispielsweise den Faktor Stress entgegenwirken.

–       Metaanalysen konnten aufzeigen, dass Stressmanagement vor einer Operation mit besseren Ergebnissen (weniger Komplikationen, kürzere Krankenhausaufenthalte) einherging. (Johnston et al. 1993 / Montgomery et al. 2002)

–       Das Aufschreiben der emotionalen Befindlichkeit kann psychischen Stress verringern, das subjektive Gesundheitsbefinden steigern. Bei Männern, die diese Methode anwandten, konnten nach 14 und 21 Tagen ein stärkerer Rückgang der Wundstärke gefunden werden. (Weinmann et al. 2008)

–       Ältere Erwachsene konnten durch kardiovaskulare sportliche Betätigung (eine Stunde Aerobic, dreimal die Woche) ihre Wundheilung gegenüber der Kontrollgruppe verbessern. (Emery et al. 2005)

–       Im Tierversuch zeigten Nagetiere, die in einer monogamen Partnerschaft gehalten wurden schnellere Wundheilung als isolierte Tiere. (Glasper & Devries 2005)

–       Immobilisierte Tiere zeigten einen besseren Heilungsverlauf, wenn sie in Paaren gehalten wurden, als wenn sie isoliert waren. (Detillion et al. 2004)

Die zugrunde liegenden Mechanismen werden im nächsten ReSearch-Beitrag vorgestellt.
Wer so lange nicht warten kann, findet hier den Link zum Volltext des Reviews.